Vor fünfzehn Jahren tauchte ein neuer Name in der Modebranche auf: Renette Kurras. Wir trafen die Person, die hinter diesem Label, zum Gespräch beim Italiener. Gereicht wurde Lammkarré, dazu ein Wein aus den Marken.
Eigentlich müssten Sie ja ein Stück Apfelkuchen bestellen:
Wie meinen Sie das?
Na ja – wegen Ihres Vornamens.
Ach so, Renette… Wenn es danach ginge, dürfte ich nur Äpfel essen (lacht). Aber stimmt schon: Ich kenne niemanden außer mir, der diesen Vornamen trägt. Wenn ich aber vor einem Obststand stehe, kommt es schon vor, dass mir da aus einigen Obstkisten Renettes entgegen lächeln: Süßsauer schmeckende, Äpfel mit leicht roten Bäckchen. Sehr lecker.
Wie kam es denn zu diesem unüblichen Vornamen?
Soweit ich weiß, kommt er aus dem Französischen. Warum aber ich diesen Vornamen trage, hätten Sie schon meinen Vater fragen müssen. Leider ist er vor einigen Jahren verstorben. Er war Maler, und Künstlern sagt man ja oftmals ausgefallene Ideen nach. Wie auch immer: Ich fühl mich als Renette pudelwohl.
Obendrein passt er doch ideal zu jemand, der Mode macht. Finden Sie nicht?
Allemal – und das Mode machen schien Ihnen ja schon in die Wiege gelegt zu sein.Mit Abstrichen kann man das so sagen. Ich erinnere mich noch sehr genau an meine Kindheit. Ich war damals fünf oder sechs Jahre alt, und mein Lieblingsspiel hieß “Modegeschäft spielen”. Die Kinder aus meiner Nachbarschaft und mein kleiner Bruder mussten als Kunden herhalten. Im Kleiderschrank meiner Mutter fand sich ein reichhaltiges Angebot - was weder mein Bruder noch meine Mutter besonders witzig fanden.
Nun – das Angebot hat sich mittlerweile geändert.
Wäre ja auch schlimm, wenn das nicht passiert wäre. Ich finde es nur erstaunlich, wie bereits in der Kindheit oftmals schon Muster festgelegt sind, die dann einen ganzen, weiteren Lebensweg prägen können. Mein Bruder hat als Bub schon leidenschaftlich gern gekocht. Jetzt raten Sie mal, welchen Beruf er ergriffen hat.
Und wie ging das bei Ihnen mit dem Berufsweg weiter?
Ziemlich geradlinig. Lehre in der DOB bei Karstadt in Nürnberg, anschließend dort im Verkauf, dann im Außendienst für Esprit, dann bei Steilmann und schließlich bei Oui für Vertrieb und Marketing zuständig. Ich kann mir auch internationale Erfahrung bei einem US-Konzern in meinen Lebenslauf schreiben.
Das hört sich alles nach steiler Karriere an.
Ja, aber dennoch wollte ich immer meinen eigenen Laden, mein eigenes Geschäft haben.
Und eigene Mode verkaufen…
Nicht so schnell. Ich hab mich zuerst mit einer Beratungsfirma KURRAS CONSULTING selbstständig gemacht. Meine Kunden – natürlich Firmen aus der Modebranche. Aber in meinem Kopf schwirrte immer noch die Idee einer eigenen Modefirma herum.
Die Sie dann ja auch gegründet haben.
Ja – ich wollte besonders fortschrittlich sein und startete gleich mit einer Internetfirma. Wie sich aber bald herausstellte, gehörte ich damals vor zwölf Jahren zu den Pionieren und war meiner Zeit um ein paar Jahre voraus. Amazon war seinerzeit noch ein Online-Buchhändler, von Zalando wusste man noch nichts, mit dem Begriff Start-up konnten die Nerds im Silicon-Valley etwas anfangen, aber noch längst niemand bei uns.
Eine schwierige Zeit?
Nun – Not macht erfinderisch. Ich besann mich wieder auf meine alten Tugenden, das Verkaufen von Angesicht zu Angesicht. Ich packte meine Kollektion in Koffer und tingelte damit durch Deutschland und Österreich - von Modegeschäft zu Modegeschäft. Ich kann aber heute sagen: Es war eine harte, aber auch eine sehr erfolgreiche Schule. Ich gehe immer noch auf Tour zum Fachhandel, der Kontakt nach draußen ist mir immer noch sehr wichtig,
In wie fern?
Nun, ich kann den Modemarkt und seine Kundinnen kreuz und quer studieren: Die Erfolgsrezepte mancher Labels, die Flops anderer Labels, von den Wünschen und Ansprüche des Fachhandels bis zur Kundin. Vor allem habe ich eines gelernt: Beginne mit einer übersichtlichen Kollektion, konzentriere dich auf einen Kernbereich. Und steh zu dem, was Du machst. In meiner Kollektion gibt es nur Mode, mit der ich voll und ganz identisch bin, die meinem persönlichen Geschmack entspricht, die ich auch selbst trage.
Bei Ihnen sind das hochwertige Blusen.
Ja – zu neunzig Prozent. Als Abrundung habe ich noch einige Kleider in der Kollektion. Wissen Sie, in unserer heutigen Welt sollte, oder besser, muss man sich als Modehersteller nicht nur Gedanken über die einzelnen Modelle seiner Kollektion machen.
Über was denn sonst noch?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich jetzt nach zehn Jahren konventionellen Vertriebs meiner Mode über den Einzelhandel wieder die ursprüngliche Idee des Internet-Shops aufgriff, dachte ich mir, man könnte ja nicht nur meiner Kundin eine Freude machen, sondern etlichen anderen Menschen auch. Kurzum: Ich versuche mich derzeit mit einer kleinen, feinen Kollektion von T-Shirts. Das besondere daran: Alle diese T-Shirts werden in einem sogenannten ‚integrativen Betrieb‘ in hochwertigem Siebdruckverfahren bedruckt. Integrativer Betrieb bedeutet: Hier arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Handicaps, sie werden gefördert und dabei langfristig in den Arbeitsmarkt integriert. Das ist doch ein fantastisches Konzept.
Woher nehmen Sie eigentlich die Inspiration für Ihre Kollektion?
Wie jeder Modedesigner habe auch ich meine Vorbilder. Ich liebe nicht nur die italienische Küche, italienische Schuhe und die italienische Oper. Ich bin auch von den italienischen Modedesignern begeistert. Und da speziell von der Mailänder Klassik: Giorgio Armani, Gianfranco Ferrè. Ich schätze ihren klaren, schnörkellosen Stil, ihre hochwertigen Materialien, ihre Eleganz. Andererseits kann ich mich aber auch für Versaces Farborgien begeistern. Ich reise mindestens zweimal im Jahr nach Rom und Florenz, um die Trends aufzuspüren und mich inspirieren zu lassen. Eine Kundin sagte mir einmal, meine Kollektion sei so italienisch. Das ist das größte Kompliment, das man mir machen kann. Obendrein lese ich viel und gern, auch das inspiriert mich.
Welche Art von Büchern denn?
Vieles über Nachhaltigkeit, grüne Ökonomie, soziale Verantwortung.
Und das inspiriert Sie bei Ihrer Designarbeit?
Sehr sogar, das sind Ideen, die großen Einfluss auf meine Arbeit haben.
Das hört sich aber sehr nach kratzigen Jutekitteln an.
Weit, weit gefehlt. Wir wissen doch heute alle, dass wir achtsam mit unserer Umwelt umgehen müssen. Und diese Haltung hat auch Konsequenzen für meine Arbeit als Herstellerin und Designerin von Mode.
Als da wären?
Ich würde eher meine Firma zusperren, bevor ich eines geringen finanziellen Vorteils wegen Menschen unter unwürdigen Bedingungen für mich arbeiten lassen würde. Kinderarbeit? Undenkbar für mich…
Sie sprechen die Verhältnisse in Bangladesch an?
Unter anderem auch diese. Meine gesamte Kollektion wird in Mitteleuropa hergestellt. Ich bin mindestens alle zwei Monate vor Ort, ich schau mich in den Nähsälen um. Ich kann deshalb ruhigen Gewissens sagen: Alles fair, alles menschlich, alles wie es sein soll. Und: Mir ist wichtig, dass meine Produkte möglichst geringe ökologische Fußspuren hinterlassen…
Wie meinen Sie das?
Energieeffiziente Produktion, Vermeidung von unnötigen Verpackungslawinen, nachhaltigem Umgang mit Wasser in der Stoffproduktion, möglichst kurze Transportwege… Sie sehen also, Modedesign, wie ich es verstehe, ist wesentlich mehr als nur schöne Blusen in den Skizzenblock zu zeichnen. Modisch, modern und verantwortungsvoll zu sein schließen sich heute nicht mehr aus. Ganz im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, dass diese Haltung sehr zukunftsweisend ist.
Dann wünsche ich viel Glück für ihre zukunftsweisende Zukunft.
VERANTWORTUNG FÜR MENSCH UND UMWELT
Alle unsere Zulieferer von den Stoffen bis zu den Knöpfen haben ihren Firmensitz innerhalb der EU. Das gilt auch für unsere Produktionsstätte. Damit haben wir die durchgehende Kontrolle über jeden Arbeitsschritt. Konkret: Wer ein Modell von RENETTE KURRAS trägt, kann sicher sein, dass weder Kinderarbeit noch unter unwürdigen und gesundheitsschädlichen Produktionsbedingungen leidende Menschen ein Thema sind. Zudem bedeutet es kurze, sprich energiesparende Transportwege innerhalb Mitteleuropas. Wir sind bemüht, in sämtlichen Geschäftsbereichen die Ideen eines nachhaltigen und sozialen Wirtschaftens in der Praxis zu realisieren. So lassen wir alle unsere Shirts in einem sogenannten integrativen Betrieb bedrucken. Das bedeutet: Hier arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Handicaps, sie werden gefördert und dabei langfristig in den Arbeitsmarkt integriert.